Mittwoch, 30. Juli 2008

Der lange Schatten von `34



(GASTKOMMENTAR von Martin Ferschmann)

Kaum ist der Ärger über die die Einführung der verlängerten Legislaturperiode verzogen, da wählen wir schon wieder. Für die nächsten fünf Jahre? Wohl eher nicht. Es kommt eh wieder eine Große Koalition raus. Die reibt sich wieder auf, und wir werden wahrscheinlich in zwei Jahren nochmals wählen. Wenn man dann noch die Koalitionsverhandlungen abzieht, ist die Netto-Arbeitszeit einer Regierung mit höchstens einem Jahr zu bemessen. Wir sind schon mitten in italienischen Verhältnissen.

Große Probleme brauchen große Mehrheiten

Mit diesem Satz wurde noch jede Große Koalition in Österreich begründet. Leider ist er in einer parlamentarischen Demokratie falsch. Um sich nicht gegenseitig politisch zu beschädigen, kommt es nur zu Lösungen, die dem kleinsten gemeinsamen Nenner entsprechen. Oft wird damit nur der Status Quo abgesichert.

Damit sind mehrere Politiker und Wählergenerationen aufgewachsen. Das war auch nach den bitteren Erfahrungen von 1934 nötig. Sind die beiden großen Lager in der Regierung, dann zerfleischen sie sich nicht nur im Parlament (sondern auch auf der Strasse) und putschen sich wieder in ein Autokratisches Regime. Viele Gesetze (auch das Wahlrecht) sind in diesem Geiste entstanden.

Nur diese Haltung des Ausgleiches und des Kompromisses hat es Österreich ermöglicht, in der Nachkriegszeit so erfolgreich zu agieren und Demokratie und Parlamentarismus in Österreich zu verankern.

Heute ist diese Erbe die größte Hypothek die wir haben. Sie hindert die Politik über kosmetische Änderungen am Staatswesen hinauszukommen. 1934 wirft noch immer lange Schatten. Es hat auch nichts geholfen dass die Ereignisse von `34 von den beiden großen Parteien völlig unterschiedlich bewertet werden. Das sogar bis in die jüngste Vergangenheit. Jeder kann sich davon ein seht gut dokumentiertes Bild in Ausstellung „unSICHTBAR  Widerständiges im Salzkammergut“.

Eine globalisierte Welt, ein Österreich in der EU sollte aber schon lange aus diesem Schatten herausgetreten sein. Bis jetzt waren die Beharrungstendenzen im System viel zu groß als dass diese Einflüsse etwas bewirkt hätten.

Von hier an Blind

Als Wähler ist man ziemlich ratlos. Man kann wählen was man will, es kommt eh nichts raus. Es gibt eh nur wieder eine (große) Koalition die streitet und nichts voranbringt. Mit meinem Steuergeld muss ich ein Kasperltheater finanzieren, wo nicht einmal die Rollenverteilung klar ist. Wozu noch wählen gehen? Damit mit meiner Stimme dann auch noch demokratische Rechte abgebaut werden?

Artikel wie dieser "Weißwählen besser als Wahl des geringsten Übels" oder auch Initiativen wie der Demokratischer Salon zeigen die zunehmende Verzweiflung der Wähler. Es wird auf uns wieder ein Wahlkampf zukommen in dem alles mögliche versprochen wird. Das ist für die Politik auch einfach. Es kann aufgrund der Mehrheitsverhältnisse nach der Wahl sowieso nicht eingelöst werden. Außer vielleicht ein weiterer Abbau von Demokratie weil sich zwei große Parteien  misstrauen. Solange ÖVP und SPÖ sich als Garant für die Demokratie ansehen, die sie gegenüber der anderen durchzusetzen haben, werden sie sich immer mehr in die Bedeutungslosigkeit manövrieren.

Die Politik weiß nicht weiter

Der Republik ist nur zu helfen, wenn sie die zentralen Institutionen aufwertet. Parlament und Wähler. Für Österreich und seine Volkspartei heißt es, den Schatten von `34 loszuwerden. Wahlen müssen wieder zu einer stabilen funktionsfähigen Regierung führen.

SPÖ und ÖVP müssen von ihrer Wächterrolle Abschied nehmen, die sie noch immer mit den Ereignissen von `34 rechtfertigen. Sie müssen begreifen, dass es in Österreich Wähler gibt, die nichts andres kennen als einen demokratischen Staat und die Ereignisse von 1934 als ein Versagen der Parteien durch mangelnde demokratische Gesinnung begreifen.

Das ist einfach zu erreichen, die stärkste Partei bei einer Wahl stellt die Regierung.  Das Zulassen einer Minderheitsregierung oder das Abschaffen des Listenwahlrechtes sind dazu geeignete Werkzeuge. Beides würde das Zentrum des politischen Handelns wieder in das Parlament verlagern.

Alle anderen Schatten wie Kammerstaat etcetera würden in dieser Konstellation an Bedeutung verlieren. Längst überfällige Reformen wie die des Bundesstaates oder einer Finanzverfassung könnten nach Jahrzehnten der Diskussion endlich ernsthaft in Angriff genommen werden.

Die Partei, die mit nichts anderem antritt als mit einer Änderung des Wahlrechtes hat meine Stimme. Wenn eine solche nicht antritt, werd ich nicht zur Wahl gehen. In Österreich brauchen wir keine weiteren Asyl-Ausländerwahlkampf. Es wäre höchst an der Zeit, die demokratie- und staatspolitischen Defizite im Wahlkampf zu thematisieren.

(Foto: FreePhoto.com/Ian Britton)

Keine Kommentare: